Die geheimnisvolle Nervenverbindung zwischen Bauch und Gehirn

‚Der Bauch, das zweite Gehirn‘ ist ein Ausdruck, der neuerdings öfters in Gesundheitsmagazinen vorkommt. Tatsächlich scheint es eine Verbindung zwischen gedanklichen Vorgängen und Bauchgefühlen zu geben. Ein einschiessender Gedanke, wie beispielsweise: ‚Zug verpasst!‘ kann mit einem plötzlichen… Unbehagen im Bauch einhergehen. Dieses Biofeedback, das eine unmittelbar bevorstehende Gefahr ankündigt, ist tief in der menschlichen Natur verwurzelt. Denn ohne Angst gibt es keine Sicherheit.
Wie kommt dieses Alarmsignal zustande? Zuständig für diese Autobahn der Datenübertragung, die blitzschnell den ganzen Körper in Bereitschaft versetzen kann, um hohe Energien freizusetzen, die fürs Überleben gebraucht werden, ist der Nervus Vagus, der für Erregung und Anspannung, aber auch für Entspannung, zuständig ist.
Auf dem Bild sehen Sie seinen faszinierenden Verlauf (in gelber Farbe). Er entspringt dem Hirnstamm, dem ältesten Teil des Gehirns, das auch ‚Reptilienhirn‘ genannt wird. Weil er durch Innenohr, Hals und Kehlkopf verläuft und sich durch die inneren Organe, bis in den Darm hinunter immer weiter verästelt, , wird er ‚der vagabundierende Nerv‘ genannt.

Die körpereigene Alarmglocke

Der Nerv ist für die Übertragung von Angst- oder Beruhigungssignalen zuständig. Bei wahrgenommener Gefahr verursacht er blitzschnell ein mulmiges Gefühl im Bauch, das sich soweit verstärken kann, dass es zu Durchfall und Erbrechen kommen kann. Diese Empfindungen sind das physische Korrelat der Angst. Hausärzte berichten über beunruhigte Patienten, die aus Sorge über ihre Bauchbeschwerden immer wieder medizinische Abklärungen wünschen, obwohl sich dadurch ’nichts‘ finden lässt.
Die körperlichen Beschwerden sind zwar real – aber eben nicht krank. Man könnte sie auch als Alarmsignale des Körpers bezeichnen, die etwas über die aktuelle bio-soziale Situation aussagen. In Worte übersetzt bedeutet die Körpersprache: ‚mir ist nicht wohl, meine Bedürfnisse sind nicht erfüllt. Ich fühle mich in meinem Gleichgewicht bedroht.‘
Das Schwierige an der Sache ist, dass körperlicher Stress oft nicht bewusst wahrgenommen wird, obwohl das Stresshormon Cortisol im Blut bereits deutlich nachweisbar ist. Das konnte der Basler Professor für Klinische Psychologie, Prof. Dirk Hellhammer, nachweisen (Hellhammer, 2008). Besteht über längere Zeit hinweg eine unterschwellige Stressreaktion, steigt die Wahrscheinlichkeit, in stressigen Situationen, oder sogar auf blosse gedankliche Vorstellungen, mit einer Alarmreaktion zu reagieren, die mit emotionalen Ausrastern oder, im Extremfall sogar mit einer Panikattacke, getoppt wird.

Warum tiefe Atmung so wichtig ist

Angst und Stress haben dank der Signalübertragung des Nervus Vagus eine Wirkung auf den Körper. Doch die Informationsübertragung funktioniert auch anders herum: Sogar achtzig Prozent der Informationen fliessen vom Bauch aufwärts ins Gehirn. Dies bedeutet, dass wir über unser Verhalten einen entscheidenden Einfluss auf unser Gemüt nehmen können.
Mit tiefer Bauchatmung kann jeder Mensch seinen Organismus in einen entspannten und gelösten Zustand bringen. Der Bauch beruhigt sich und der Nervus Vagus kann endlich Entwarnung ans Gehirn melden: ‚wir sind wieder in Sicherheit!‘

Das Sicherheitsgefühl

Daraus entspringt ein köstliches Gefühl der Geborgenheit, das in eine Entspannungsreaktion münden kann, wenn es genügend Zeit und Raum erhält, um sich entfalten zu können. Es zu geniessen und eine tägliche Übungspraxis zu entwickeln, die sich leicht in den Arbeitsalltag integrieren lässt, könnte eine lohnende Investition in die Gesundheit sein. Das Sicherheitsgefühl hat viele Vorteile, nicht nur fürs Gehirn, sondern für den ganzen Körper, insbesondere für Immunprozesse und das hormonelle Gleichgewicht. Nicht zuletzt trägt es dazu bei, sich im Leben geborgen, frei und inspiriert zu fühlen. Das könnte der Grund sein, weshalb das Wort ‚Atmen‘ auf das Sanskritwort ‚Atman‘, für ‚Seele‘, zurück geht.

Tiefenentspannung ist lernbar

Literaturangabe:

Hellhammer, D. H. & Hellhammer, J. (Hrsg.), (2008). Stress The Brain-Body Connection. Basel (Karger).

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